Reitwein hat einiges zu bieten. Abgesehen von der wunderschönen Lage am Fuße des Reitweiner Sporns gibt es viele Ziele, die es sich zu sehen & zu besuchen lohnt.
Hier eine kleine Übersicht:
- Die Stüler-Kirche
- Das Schloss
- Das Rüstzeitenheim
- Die gräfliche Villa
- Gaststätte „Zum Heiratsmarkt“
- Galerie TRAFO.3
- Das Fischerhaus
- Der Kindergarten
- Gaststätte „Am Reitweiner Sporn“
- Shukow-Bunker
- Sowjetische Krieggräberstätte
- Die Diplomatentreppe
Die Stüler-Kirche
Ihre besondere Lage ist Reitweins Markenzeichen. Stolz erhebt sich der Turm der Stüler-Kirche am Hang des Reitweiner Sporns und grüßt jeden Herannahenden. Sie ist nicht die erste Kirche, die an diese Stelle gebaut wurde. Schon im Mittelalter entstand hier nach der erstmals im Jahre 1414 erteilten Erlaubnis zum Kirchenbau ein Vorgängerbau an exponierter Stelle über dem Dorf. Das hatte vor allen Dingen einen praktischen Grund. Pastor Orth, der von 1727 bis 1783 Geistlicher der Kirchgemeinde in Reitwein war, schreibt dazu: „Die Kirche steht an dem Berge in der Höhe, welches seltsam scheinen möchte wegen jetziger Beschaffenheit des Dorfes. Sie ist aber dahin gebaut worden wegen der ehemals starken Überschwemmungen der Oder, welche sich in den alten Zeiten vielmals durch das Dorf ergossen hat.“ Der Reitweiner Gemeinde blieben dadurch vom Kahn aus gehaltene Predigten wie in Wriezen bei der großen Juliflut im Jahr 1736 erspart.
Mitte des 19. Jahrhunderts passte die Gemeinde nicht mehr in die kleine Kirche und so entschloss sich Rudolf Graf Finck von Finckenstein, den „Architekten des Königs“ Friedrich August Stüler mit einem Kirchenneubau zu beauftragen. Die Ausstattung der Vorgängerkirche wurde teilweise übernommen, so auch die mittelalterlichen Glocken, ein silberner Kelch mit innerer Vergoldung und ein Kruzifix von 1560. Am 25. August 1858 wurde der neogotische Backsteinbau geweiht.
Fast einhundert Jahre später geriet die Kirche bei den Kampfhandlungen in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs zwischen die Fronten. Von ihr blieb nur eine Ruine, die dank des persönlichen Einsatzes des damaligen Pfarrers H.-G. Rieger gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat in den 1970er Jahren nur knapp einer Sprengung entging. Nach der Wende begann der Wiederaufbau und in diesem Jahrtausend läuten die Glocken den Reitweinern wieder täglich um fünf vor sechs zum Feierabend.
Ein gemeinsamer Nutzungsvertrag zwischen Kirchen- und Kommunalgemeinde ermöglicht es heute, die Kirchenruine vielfältig zu nutzen. Neben kirchlichen Feiern – bei schönem Wetter finden hier etwa goldene Konfirmationen und Trauungen statt – haben sich in den Mauern des Kirchenschiffs auch beliebte weltliche Veranstaltungsreihen etabliert. Beim Reitweiner Musiksommer wird geschunkelt und mitgesummt. Das Repertoire reicht von Zickenumpa über kernigen Rock und feinen Blues bis zu Muttertagskonzerten mit Folklorechören. Auch der jährlich stattfindende Weihnachtsmarkt lockt Gäste von auswärts an den Fuß des Sporns. Wer der lauten, übervollen vorweihnachtlichen Jahrmärkte überdrüssig ist, ist in Reitwein genau richtig. Hier ist alles selbstgemacht: Landfrauenkuchen, Wildblumenkränze, Holzkunst und Aquarelle, Stockbrot und Bläsermusik.
Das Schloss
Eine Hainbuchen-Hecke zeichnet die Umrisse des Reitweiner Schlosses nach und hilft uns, ein kulturelles Erbe vor unserem geistigen Auge wieder auferstehen zu lassen, das für immer verloren ist.
Schon Anfang der 1670er Jahre hatte der damalige Gutsherr Joachim Erdmann von Burgsdorff das Reitweiner Schloss mit einem die Symmetrie betonenden Mittelrisalit erbauen lassen. Dralle Putten wiesen den Besucher am Eingangsportal auf zwei Wappen hin: Er betrat das Haus derer von Burgsdorff und derer von Schlieben. Für die aufwändigen Stuckverzierungen an den Decken konnte der Bauherr den damals weithin bekannten und begehrten Schweizer Baumeister und Stuckateur Giovanni Simonetti verpflichten, der auch die Leipziger Handelsbörse, das Schloss Oranienburg und die Magdeburger Dompropstei mitgestaltet hat.
Das barocke Herrenhaus war durch den Krieg in der Substanz nicht angegriffen worden, aber es widersprach der Ideologie des Arbeiter- und Bauernstaates. In der Nachkriegszeit wurden im Reitweiner Schloss Flüchtlinge untergebracht und Düngemittel gelagert. Als in den 1960er Jahren die erste Abrissbirne in die Nordfassade einschlug, war die andere Seite des Gebäudes noch immer bewohnt. Die Trümmer begruben Bilder und Bücher unter sich und viele andere Zeugnisse einer vergangenen Epoche.
Die Erinnerungen aber haben die DDR überlebt. Beispielsweise jene an den höchsten Besuch, den das Schloss und Reitwein je erlebt haben dürften. Kein Geringerer als Friedrich der Große schlug während des Siebenjährigen Krieges hier sein Lager auf. 1759 erlitt die preußische Armee bei Kunersdorf eine verheerende Niederlage. Durch große Verluste militärisch stark geschwächt, erwartete der König den Untergang Preußens. Historiker nehmen an, dass er selbst mit Todesgedanken rang. Die ersten für sein Leben und das Schicksal Preußens entscheidenden Tage nach der Schlacht verbrachte König Friedrich II. im Reitweiner Schloss.
Nicht restlos zweifelsfrei ist dagegen der Aufenthalt von Königin Luise zu belegen. Die Biografin Luise Mühlbach berichtet in „Napoleon und die Königin Luise“ von der Flucht vor französischen Kolonnen. Dabei hielt die Kutsche der Königin auch in Reitwein, um beim Amtsmann die Pferde zu wechseln. Dieser sah allerdings seine letzte Gelegenheit, um selbst vor den Franzosen zu fliehen. Er nahm heimlich den hinteren Torweg, um mit den einzigen verfügbaren Pferden zu türmen, während die Königin vergeblich vor seinem Haus wartete.
Die Begebenheit könnte sich aber auch in Bärwalde oder in Bärfelde zugetragen haben, was wir in Anbetracht der unrühmlichen Ermangelung an Beistand gerne glauben wollen.
Wenden wir uns greifbareren Dingen zu. Etwa dort, wo sich einst das Billardzimmer befand, steht heute ein behauener Findling. Er stammt aus Zeiten, in denen Sonnenliegen für die Ewigkeit gebaut wurden, die Jahreszahl in der Rückenlehne verrät uns, dass das 1684 war. Der Anlass für diese schweißtreibende Steinmetzarbeit war vermutlich die Hochzeit der Schlossherren-Tochter Lucia Margaretha von Burgsdorff. Jene, die Platz nehmen, werden überrascht sein, wie bequem er ist und – wenn er von der Sonnenwärme aufgeladen ist – wie angenehm er den Rücken wärmt.
Das Pfarrhaus, heute Rüstzeitenheim
1879/80 wurde das Pfarrhaus errichtet, es war das fünfte einer Reihe von Pfarrhäusern, die allesamt an dieser Stelle standen. Der Pfarrgarten befand sich rechts neben dem Pfarrhaus. Hier standen einmal Maulbeerbäume, die Pfarrer Orth im 18. Jahrhundert zur Seidenraupenzucht angepflanzt hatte. Sicher war er damit der Forderung des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm gefolgt, die Bevölkerung möge Maulbeerbäume pflanzen und so im Nebenerwerb Seide produzieren. Der König wollte damit das Abfließen von Devisen aus Preußen verhindern. Heute wissen wir, dass 300 Jahre Seidenproduktion in Berlin und Brandenburg nicht zum erhofften Erfolg geführt haben.
Das Kirchenbuch von 1600 gibt Einblick in ein ausgeklügeltes System von Naturalien und Zuwendungen, die den Lebensunterhalt des Pfarrers bildeten und für den die Gemeinde aufzukommen hatte.
Im einstigen Pfarrhaus befindet sich nun im Obergeschoss ein Rüstzeitenheim, das von Jugendfreizeiten, Chören und Karatekids bevölkert wird. Da in der Stülerkirche keine Gottesdienste abgehalten werden, trifft sich die Kirchengemeinde in einem Andachtsraum im Erdgeschoss.
Die Gräfliche Villa
Rudolf Graf Finck von Finckenstein ließ die gräfliche Villa 1880 errichten. Sie sollte sein Alterssitz werden, doch dazu kam es nicht. Als erste Bewohnerin zog nach seinem Tod seine dritte Frau, Gräfin Luise von Bernstorff aus Gartow an der Elbe, ein. In Erinnerung an ihre Heimat waren die Giebel mit geschnitzten Pferdeköpfen verziert. Später wohnte Enkelin Gertrud mit Mann Curt Adolf von Wittich und ihren Kindern dort, bis sie 1939 ins Schloss zogen.
Nach dem Krieg ging es nicht mehr gräflich zu in der Villa. Familie von Wittich war enteignet worden und hatte Reitwein verlassen müssen, und wie überall in der DDR waren die Finanzen knapp. Sein schmuckes Äußeres erhielt das Gebäude erst wieder, als Günther Alexander von Wittich nach der Wende an den Ort seiner Kindheit zurückkehrte, die Villa zurückkaufte und sanierte.
Zuvor hatten die Räume einen neuen Belegungsplan erhalten. Bis 1962 waren hier der Schulhort, ein Versammlungsraum, eine Bibliothek untergebracht. Später logierte im Souterrain der Dorf-Friseur, oben waren Wohnungen eingerichtet und das Erdgeschoss wurde vom Bürgermeister samt Verwaltung belegt.
Der Gasthof „Zum Heiratsmarkt“
Schon manchem Gast unseres Dorfes stand die Frage angesichts des rätselhaften Namens ins Gesicht geschrieben, ob es dabei um eine Auktion von ehewilligen Singles geht oder hier die berüchtigte TV-Kuppelshow für Landwirte entwickelt wurde. Tatsächlich ist der Heiratsmarkt ein Volksfest, das schon 1909 vom damaligen Männergesangsverein angekurbelt wurde. Diese luden seit Jahren immer am Sonntag nach Pfingsten zu einem Konzert, das sich großer Beliebtheit erfreute. Die Menschen aus der Umgebung kamen reichlich und verlangten nach mehr. Bald wurde nach dem Konzert zum Tanz geladen. Die Jugend nahm das Angebot gerne an, Bekanntschaften über die eigenen Dorfgrenzen hinaus zu machen. Gastwirt Reinhold Kurz erkannte die Gunst der Stunde und annoncierte 1921, „daß alle nach Reitwein zum Heiratsmarkt gehen“.
Und das taten sie. Sie kamen aus Frankfurt an der Oder und Küstrin mit dem Zug, aus der näheren Umgebung mit Kutschen oder einfach auf dem Pferd, sie kamen mit Fahrrädern, Motorrädern und zu Fuß. In den 1930er Jahren wurden sogar Sonderzüge von Frankfurt und Küstrin aus nach Reitwein eingesetzt. Bald reichte der Platz vor der Gaststätte nicht mehr aus, um die vielen Schausteller unterzubringen. Viele Buden standen am zweiten Gasthaus am anderen Ende des Dorfes. Das Vergnügungs-Unternehmen Koffert kam mit einem Güterzug von 120 Achsen aus Breslau.
Es gab mit Pferde- oder Menschenkraft betriebene Karussells, Berg- und Talbahnen, Luftschaukeln, mobile Lachkabinette mit Zerrspiegeln, „Hau den Lukas“, Würfel-, Los- und Schießbuden, Stände mit Süßigkeiten, Wurst und Eis, Pfann- und Spritzkuchen-Verkauf und Getränkeausschank. Wer seiner neuen Eroberung imponieren wollte, wagte sich auf eine Überschlagschaukel. 1938 brachte sogar eine Tierschau mit Löwen, Tigern, Elefanten und Affen einen Hauch Exotik ins Oderbruch.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg feierten die Reitweiner ihren Heiratsmarkt. In den 1960er Jahren stieß sich der Rat des Kreises allerdings am Namen des beliebten Volksfestes. Er passte nicht zu den Werten einer sozialistischen Familienpolitik. Nach langer Pause fand 1983 endlich der lang ersehnte erste Heiratsmarkt der Neuzeit statt. Bald danach konnten Heiratswillige sich sogar im „unordentlichen Standesamt“ für 24 Stunden trauen lassen. Wenn Sie noch nicht verheiratet sind, dann schauen Sie sich genauer um, denn beliebt ist die Gaststätte auch bei echten Hochzeitspaaren. Der Weg vom Ja-Wort zur Festtafel ist nur kurz: Das Gasthaus ist eine Außenstelle des Standesamts Lebus.
Galerie TRAFO.3
Trafofans reiben sich verwundert die Augen: In diesem Turm mit dem hübschen Zeltdach und den gelben Klinkersteinen befindet sich eine der kleinsten Galerien der Welt. 1935 wurde er gebaut, 20 Jahre, nachdem Reitwein mit dem Bau des ersten Trafos am Gutshof elektrifiziert worden war, und 18 Jahre bevor auch die Ausbautengehöfte endlich ihren Anschluss bekamen. Die damals auf dem Lande üblichen Freileitungen wurden vom Turm zu den Hausgiebeln gespannt. Dafür mussten die Türme so hoch sein, dass Menschen, Vieh und Fuhrwerke gefahrlos unter den Kabeln hindurch kamen. Der heute noch nicht gänzlich abgeschlossene Übergang von der Ära der Freileitung zur Erdverkabelung besiegelte sein Schicksal.
Die vier Quadratmeter im nun leeren Trafoturm waren für den Fernsehjournalisten Michael Pommerening gerade groß genug, um hier die dritte Station seines Projekts „Kunst an ungewöhnlichen Orten“ zu gründen. Er etabliert damit ein kunst-touristisches Dreigespann: Natur genießen, Kunst erfahren, Region erkunden. Die Galerie im Trafohäuschen hat immer geöffnet. Zu jeder Tages- und Nachtzeit können Interessierte per Knopfdruck das Innere beleuchten, dann startet eine Toncollage und sie können eine Handvoll Kunstwerke betrachten. Die sind aber immer nur ein Teil der Gesamtausstellung des jeweiligen Künstlers. Komplett wird der Eindruck erst mit einem Besuch im Wiegehäuschen in Dolgelin und dem Trafo 1 im 25 Kilometer entfernten Ort Regenmantel.
Das Fischerhaus
An der Hauptstraße duckt sich ein Backsteinbau am Straßenrand: das Fischerhaus. Kyrillische Buchstaben machen uns neugierig. „Kto mnogo boltaet¢ to …“ Der Rest des Satzes ist von der Wand gekratzt. Wer nun vergeblich nach seinem längst verschütteten Schulrussisch kramt, dem sei übersetzt: „Wer viel schwätzt, der …“. Ermahnt wurden hier nicht redselige Nachbarn, sondern die Soldaten der Roten Armee, die auf dem Weg nach Berlin an diesem Giebel vorbeikamen und den Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen sollten. Was allerdings mit den Geschwätzigen passieren würde, lässt sich nur erahnen.
Die Bedeutung des Fischerhauses aber liegt in seinem Inneren und geht vor die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zurück. Das Fischerhaus verfügt über eine sogenannte schwarze Küche, wie sie bis Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet war. Darin wurde gleichzeitig gekocht und im aufsteigenden Rauch der Feuerstelle geräuchert. Der Ruß färbte Wände und Abzug des kleinen fensterlosen Raumes pechschwarz.
Der Kindergarten
Ein Backsteinbau, der wie eine kleine Villa aussieht: die Kita Birkenschlösschen. Das Gebäude wurde Mitte der 1880er Jahre als Heimstatt zugleich für die Jüngsten und Ältesten im Dorf errichtet, in einer Zeit, in der die damals existierenden Kinderbewahranstalten abgeschafft wurden und die pädagogische Konzeption von Friedrich Fröbel in neu gegründeten Kindergärten Einzug hielt. Noch bis 1860 waren Kindergärten vom preußischen Kultusministerium verboten worden aus Sorge um die „Heranbildung der Jugend zum Kommunismus“. Heute hat sich das Blatt gewendet: Die Bundesregierung sorgt sich gemeinsam mit vielen Eltern um eine ausreichende Zahl an Kitaplätzen. In Reitwein haben junge Familien für ihren Nachwuchs nicht nur einen Platz sondern auch eines der schönsten Gebäude im Ort.
Gaststätte „Am Reitweiner Sporn“
Die Gaststätte „Am Reitweiner Sporn“ hat eine lange Tradition. Anfang des 20. Jahrhunderts trafen sich hier Vereine und vor allem Gutsarbeiter, man konnte Billard spielen und mit dem Luftdruckgewehr schießen. In einem großen Saal, der 1910 hinter dem Gasthaus angebaut wurde, fanden Tanzbälle statt. Mitunter führte eine Jugendgruppe unter der Leitung des Dorflehrers Theaterstücke auf. Ein besonderer Höhepunkt waren Zirkusvorstellungen mit Pferden. So viel Trubel ist heute nicht mehr, aber noch immer kommt man hier nach der Arbeit gerne auf ein Bierchen zusammen. Und im Sommer sitzen die Wander- und Radlergruppen, die auf ihrer Tour den Reitweiner Sporn herunterkommen, plaudernd auf der Terrasse.
Der Shukowbunker
Bei Wanderungen durch den Reitweiner Sporn fallen merkwürdige Vertiefungen im Waldboden auf. Es sind Laufgräben und Schützenlöcher, Zeugnisse der größten Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden. Der Bericht von Gerhard Tillery schildert, wie ein 19-jähriger die Kämpfe um Reitwein in der Ebene nördlich des Sporns erlebte: „Die Stellung verlief durch einen Wald. Es war kein durchgehendes Grabensystem, sondern alle 12 bis 15 Meter war ein Schützenloch. Der Russe war etwa 30 bis 40 Meter von uns entfernt. Im linken Teil des Kompanieabschnittes verlief ein etwa 8 Meter breiter Bach, die Alte Oder. Rechts von uns war ein Bahndamm, die Grenze. Auf der einen Seite lagen wir, auf der anderen der Russe. Hierhin stellte mich der Kompagniechef zuerst. Die Haare standen mir zu Berge. […] Wir durften uns nur flüsternd unterhalten. Jedes Geräusch beim Russen war zu hören, jedes laut gesprochene Wort war deutlich zu vernehmen. Tag und Nacht wurden Handgranaten hin und her geworfen.“ (Auszug aus „Kriegsereignisse in Reitwein und Umgebung“)
Der Shukow-Bunker wurde im März 1945 als vorgezogener Gefechtsstand des Befehlshabers der 8. Gardearmee, Generaloberst Tschuikow, errichtet. Benannt ist er allerdings nach Marschall Shukow, Befehlshaber der 1. Weißrussischen Front, der von hier aus die Schlacht um die Seelower Höhen befehligte und drei Wochen später in Berlin die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht entgegennahm.
Im 18 Kilometer entfernten Seelow erinnert eine Gedenkstätte an diese Schlacht. Sie wurde als eine der ersten Gedenkstätten auf deutschem Boden schon im November 1945 eingeweiht.
Sowjetische Krieggräberstätte
Ein roter Stern leuchtet uns entgegen. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wählte ein sowjetischer Offizier das Areal im Schlosspark zu Füßen der beschädigten Reitweiner Kirche als Platz für einen Friedhof zu Ehren der bei der berüchtigten „Schlacht um die Seelower Höhen“ gefallenen sowjetischen Soldaten. Knapp eine Million Rotarmisten hatte sich im April 1945 gegen den Widerstand von 120.000 deutschen Soldaten den Weg nach Berlin erkämpft. Nach nur vier Tagen waren Zehntausende deutsche, sowjetische und polnische Soldaten gefallen.
In Reitwein und den umliegenden Dörfern bot sich ein Bild der Verwüstung. Die Hälfte der Gebäude war stark zerstört. Überall Bombentrichter, Bunker und Gräben in den Gärten, auf Feldern, im Wald. Es gab fünf große Massengräber, viele notdürftige Einzelgräber. Die zurückkehrenden Dorfbewohner fanden auch unbestattete Leichen. Im Sommer 1947 halfen hauptsächlich die Frauen des Orts, die etwa 3.000 Gefallenen der Roten Armee aus allen bekannten Grabstätten in dieses Sammelgrab umzubetten.
Das Trauma des Krieges wirkt bis in die Gegenwart. Auch heute gelten noch viele Soldaten des Zweiten Weltkriegs als verschollen. Besonders die Gegend um Klessin war hart umkämpft, dort liegen vermutlich noch unzählige Tote „nur kurz unter der Grasnabe“, schätzt Albrecht Laue, der Vorsitzende des 1992 gegründeten Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa. Seine 200 ehrenamtlichen Mitglieder wollen den Toten, egal welcher Nationalität, ihren Namen und ihre Würde zurückgeben.
2013 hat es nach Jahrzehnten erstmals wieder eine Einbettung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Reitwein gegeben. 29 bei Klessin gefundene tote Sowjetsoldaten wurden feierlich beigesetzt. Weitere Beisetzungen sind vorgesehen.
Die Diplomatentreppe
Bleiben wir bescheiden: Wir erwarten in Reitwein nicht unablässig Besuch von Botschaftern. Trotzdem ist vorgesorgt – mit der Diplomatentreppe könnten die Gesandten würdevoll, sauber und trocken den Oderdamm erklimmen. Das war zumindest der Grund, warum die Treppe 1984 gebaut wurde. Der Anlass: der „40. Jahrestag der Befreiung“. Damals reisten die Botschafter von 40 diplomatischen Vertretungen nach Reitwein.